Hardt_Negri_Badiou_Žižek

Zwei mal Zwei ist Fünf

Im September 2011 veröffentlichte die Wochenzeitung Freitag ein noch heute aktuelles „A – Z: Basiswissen des linken Denkens“. Ich trug dazu die Abschnitte zu Negri und Hardt wie zu Badiou und Žižek bei: kürzer und dichter gehts kaum. (Ganz kurz)

Toni Negri und Michael Hardt schaffen Begriffe, die im Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert den Übergang vom Abbruch zum Neubeginn kommunistischer Bewegung markieren. Dabei öffnet der Begriff des Empire (1) dem krisengetriebenen Prozess kapitalistischer Globalisierung die Perspektive seiner theoretischen wie praktischen Kritik. Das Wesen dieses Prozesses fasst der (Foucault und dem Feminismus entlehnte) Begriff der Biopolitik (2) als Fortschritt des Kapitals von der Subsumtion der Arbeit zu der der ganzen Welt (Raum) und des ganzen Lebens (Zeit). Der Begriff der biopolitischen Multituden (3) nennt die Kräfte, denen im Empire das Vermögen immanenter Negation zukommt, der Begriff der biopolitischen Militanten (4) spricht dann die Subjekte an, die sich „zum Organ derselben“ (Marx, MEW 4: 143) machen: zum Organ ihres Gemeinsamen. Im Begriff des Ereignisses (5), des kairos, kommt beiden, Militanten und Multituden, die geschichtliche Bewährungsprobe ihrer weitesten Möglichkeit und Wahrheit zu.

Wer Negri und Hardt verstehen will, wird bald auch an Alain Badiou und Slavoj Žižek verwiesen. Noch im Streit miteinander geht es ihnen um dasselbe: eine primär philosophische Neubegründung des Kommunismus zugleich aus dem und gegen den Geist der Postmoderne. Wenden sich die Erstgenannten dazu neben Marx an Nietzsche, Heidegger, Psychoanalyse, Poststrukturalismus und Feminismus, bringen Badiou und Žižek diese Wendung noch mit Lenin und Mao zusammen: also nicht nur mit den „Kräften des Rausches“, sondern auch mit dem „Diktatorischen der Revolution“ (so Walter Benjamin, im Grunde der fünfte im Bunde). Überschätzt Žižek dabei die Macht der Provokation, erneuert Badiou die ursprüngliche Geste der Philosophie und macht die Wahrheit wieder zum Kriterium der Entscheidung zwischen „einem wirklich subjektiven und erfüllten Leben, soweit es dies sein kann“ und „einem Leben, das in der Animalität verharrt.“ Wem das akademisch erscheint, den hat der Tahrir-Platz hoffentlich eines Besseren belehrt.