Spontaneität, Kalkül und Autonomie

Strategie- und Organisationsfragen der Mosaiklinken

Erschienen im Heft 1/2010 der Zeitschrift LuXemburg, setzt dieser Text drei  Schnitte unter die Oberfläche des Konzepts einer „Mosaiklinken“, das uns durch die Zeit der Monster geleiten soll.  (Kurz)

Die „Mosaiklinke“ (Urban) schreibt nicht einfach das altbekannte Projekt einer „pluralen Linken“ fort. Die war ein Versuch, den Zerfall sozialdemokratischer und marxistisch-leninistischer Parteien und ihrer politischen Prozeduren auf dem Weg der Zusammenlegung zu stoppen oder gar umzukehren. Die Mosaiklinke hat es nicht nur mit Parteien neuen Typs, sondern auch mit neuen politischen Prozeduren zu tun. Ihr Gründungsereignis kann mit dem Namen „Seattle“ belegt werden, der die seltsame Allianz nennt, die sich dort 1999 im Protest gegen die WTO zusammenfand. Sie umfasste Gewerkschafts- und Umweltaktivist/innen, Funktionär/innen entwicklungspolitischer NGOs und nationaler Wohlfahrtsverbände, Altkader maoistischer oder trotzkistischer Splittergruppen und katholische Nonnen, lokal engagierte Bürgerinitiativen und von weither angereiste jugendliche Anarchist/innen. Natürlich war den Teilnehmern damals nicht bewusst, dass ihr „Gemeinsames“ die Eröffnung neuer politischer Prozeduren war – derjenigen eben, die in ihrem deutschen Zusammenhang heute mit dem Begriff der Mosaiklinken reflektiert wird. „Heute“ heißt: in der ersten großen Krise dieser neuen Prozeduren. Denn tatsächlich sieht es so aus, als ob die auf Seattle folgende Serie globalisierungskritischer Massenproteste und ihre politischen Subjektivierungs- und Organisationsweisen in Stagnation begriffen, wenn nicht bereits im Zerfall sind. Macht man sich allerdings klar, dass mit ihnen nicht weniger als eine (nicht parteipolitisch einzuengende) „rifondazione comunista“ begonnen wurde, muss dieser Rücklauf nicht pessimistisch stimmen: Ein solcher Prozess wird sehr viel länger dauern als das eine Jahrzehnt, das seit Seattle vergangen ist. Das wird schon einsichtig, wenn man seinen programmatischen Einsatz aufruft: endlich auch „von unten“ und von links her die globale Dimension des Politischen zu besetzen und die Subjekte dieser Bewegung hervorzubringen. Grund genug zum Atemholen.

Schnitte durchs Mosaik

Hält man sich zunächst an die Oberfläche des Mosaiks, wird man noch einmal an die Allianz von Seattle verwiesen, die sich auch anlässlich anderer Zusammenkünfte der globalen Machteliten (IWF, G8, Nato etc.) oder der globalen, kontinentalen oder nationalen „Sozialforen“ versammelte. Die Form des Sozialforums selbst ist auch die wesentliche politische Erfindung der neuen Prozeduren – im Ansatz dem Sowjet, dem „Arbeiterrat“ vergleichbar. Natürlich gilt dieser Vergleich nur virtuell: Was der Sowjet im ersten Anlauf einer Vergesellschaftung der Produktion war bzw. hätte sein sollen, kann dem Sozialforum im Hinblick auf das erst noch auszuarbeitende gesellschaftliche Projekt zufallen, das heute im emphatischen Begriff des öffentlichen Guts bzw. von Öffentlichkeit überhaupt gedacht wird (Rilling 2009). Ein Anhalt aus der Praxis findet sich im „Wasseraufstand“ der bolivianischen Stadt Cochabamba (2000). Dort wurde aus der Auseinandersetzung um ein elementares öffentliches Gut erstmals effektiv die politische Machtfrage gestellt und mit der Instituierung eines jetzt auch regierenden „Sozialforums“ beantwortet, der Coordinadora de Defensa del Agua y de la Vida. Das sie stützende Mosaik verband Bürgerinitiativen, Gewerkschaftsgliederungen, Verbände des Kleingewerbes und Kleinhandels, aber auch der Schullehrer/innen oder Obdachlosen, Kleinbäuer/innenbewegungen des weiteren Umlands der 600000-Einwohner-Metropole und aus dem ganzen Land angereiste Aktivist/innen verschiedenster linker Organisationen. Sofern die weitere politische Entwicklung Boliviens bis zur Regierungsbildung des Moviemento al Socialismo und seines Präsidenten Morales (2006) in direkter Kontinuität zum „Wasseraufstand“ steht, liefert die bolivianische Entwicklung das dichteste Beispiel für das, was hier mit Alain Badious Begriff als „Prozedur“ bezeichnet wird (2003). Formalisiert und zugleich auf ihren „realen Punkt“ (ebd.) gebracht, zielt diese Prozedur auf eine Koordination solcher und vergleichbarer Aktionen eines Bewegungsmosaiks mit einer wie auch immer „passenden“ Artikulation staatlicher oder quasi-staatlicher Praxis im nationalen und schließlich transnationalen Raum. Dem ist jetzt in drei Schnitten unter die Oberfläche des Mosaiks nachzugehen.

Unter der Oberfläche (I)

Der erste Schnitt führt von den Beispielen „Seattle“ und „Cochabamba“ auf die politische Form der mit ihnen aufgerufenen Prozedur. Deren Charakter fällt weder mit der „Alten Sozialen Bewegung“ (der Arbeiter/innen des 19. und 20. Jh.) noch mit den „Neuen Sozialen Bewegungen“ nach dem Mai 1968 zusammen. Das zeigt sich zunächst an ihrer zahlenmäßigen Schwäche. Meist aus mehr oder minder institutionalisierten Kernen sehr weniger Aktivist/innen zusammengesetzt, entfalten sie nur bei besonderer Gelegenheit massenmobilisierende Kraft – das diesmal nahe liegende Beispiel sind hier die von der Erwerbslosenbewegung getragenen deutschen Montagsdemonstrationen (2004). Ihre virtuelle Macht übersteigt ihre Zahl bei weitem. Denn im Unterschied zu den „Neuen Sozialen Bewegungen“ müssen sie keine „Ein-Punkt-“, sondern wirklich „transversale“ Bewegungen sein, d.h. solche, für die der Bezug auf das Gemeinsame der ganzen Prozedur konstitutiv ist.[1] In der globalen Dimension wird das im Begriff der „Bewegung der Bewegungen“ auf den Punkt gebracht, deren Transversalität in den Versammlungen der Sozialforen ebenso zum Ausdruck kommt wie in Netzwerken der Art von attac.

An ihnen lassen sich zwei weitere Formbestimmungen der Prozedur ausweisen. Die eine liegt in der inneren Verbindung mit nicht-bewegungsförmigen Organisationen wie Gewerkschaften, NGOs oder Sozial- und Wohlfahrtsverbänden. Die andere liegt in dem Umstand, dass politische Parteien auch dann konstitutiv auf Distanz gehalten werden, wenn sie eine tragende Rolle spielen – beispielhaft hier die Funktion der brasilianischen Partido Trabalhadores (PT) im Weltsozialforum oder der Partito Rifondazione Comunista während der Mobilisierungen von Genua (2000) und Florenz (2002). So arbeiten deren Mitglieder zwar in den Sozialforen mit, sollen dabei aber ausdrücklich nicht als deren Repräsentanten agieren. Unter ähnlicher Spannung steht das Verhältnis der Bewegungen zu linksradikalen Gruppierungen an ihren Rändern, das sich anlässlich direkter Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht, aber auch in der Einberufung „alternativer“ Sozialforen aktualisiert. Bezieht man diese Differenzen auf den angesprochenen „realen Punkt“, ist das Mosaik zunächst als eines zu bestimmen, das in reflektierter Weise politische Praktiken zusammenführt und trennt, deren Unterschied in ihrer Kontinuität oder Diskontinuität zum Staat liegt.

Unter der Oberfläche (II)

Im zweiten Schnitt unter die Oberfläche reflektiert dieses strategisch und also bewusst offen gehaltene Verhältnis zum Staat nicht einfach die historische Erfahrung von Realsozialismus und Sozialdemokratie, sondern die effektive Globalisierung des Kapitalismus, also die ihr entspringende Transformation der politischen Form des Nationalstaats und damit die globale Dimension des Politischen selbst: „von oben“, von rechts und in der politischen Mitte im Begriff der global governance bejaht und „von unten“ bzw. von links im Begriff des Empire (Hardt/Negri) bzw. der Imperialität (Rilling) erst einmal zu fassen gesucht. In der aber macht die überkommene Entgegensetzung von Reform und Revolution definitiv keinen Sinn mehr. Dies gilt selbst dort, wo sie praktisch nach wie vor zum Problem werden könnte: in der Regierung des imperial subordinierten, doch deshalb nicht verschwundenen Nationalstaats. Das wiederum ist so, weil ein nationalstaatlicher „Übergang in den Sozialismus“ aufgrund der Subordination nationalen Staatshandelns unter die kapitalistische global governance kein sinnvolles politisches Projekt mehr ist, dieses Dilemma eine linke Regierung nationaler Staaten dennoch nicht gänzlich sinnlos macht. Hier liegt der wichtigste Grund dafür, dass sich Mosaiklinke selbst dann nicht mehr exklusiv für Reformisten oder Revolutionäre halten, wenn sie praktisch die eine oder die andere Option vorziehen. Auf den Punkt gebracht wird das in der (nicht nur) von Negri eingeforderten strategischen Verbindung einer „regierenden“ und einer „kämpfenden Linken“: „Dieses Problem zu artikulieren ist unumgänglich, und eine Linke, die das nicht tut, existiert nicht. Man kann nicht exklusiv das eine oder das andere sein, außer man betrügt sich selbst“ (Negri 2009, 128). Macht man sich klar, dass diese Doppelstrategie im nationalen Staat zwar ihren nächsten Ort hat, doch in ihm definitiv nicht zum Abschluss gebracht werden kann, wird unmittelbar deutlich, dass das Mosaik selbst nur ein in sich konfliktives sein kann. An dieser Stelle erweist sich der Begriff der Mosaiklinken insofern als ungenügend, als er darauf tendiert, diesen notwendig konfliktiven Charakter leichter Hand zu überspringen.

Unter der Oberfläche (III)

Der dritte Schnitt unter die Oberfläche gilt deshalb dem „Jenseits von Reform und Revolution“ selbst. Fasst man dieses in positiver Form, ist es als konfliktives Spiel unterschiedlicher Modi des Politischen zu formalisieren – und zu bejahen: als konfliktives Spiel der Spontaneität, des Kalküls und der Autonomie des Politischen.

Dabei verkoppelt sich die Spontaneität des Politischen im Primat des Bewegungscharakters von Politik und der unisono bejahten Verabschiedung einer avantgardistischen Konzeption der politischen Linken. Das Kalkül des Politischen liegt demgegenüber in der wiederum allseits geteilten Anerkennung seiner „realpolitischen“ und deshalb notwendig staatsnahen, wenn nicht selbst staatlichen Dimension. Dabei unterscheidet sich die mosaiklinke Bejahung von Realpolitik von ihrer sozialdemokratischen wie von ihrer marxistisch-leninistischen Variante eben durch den bleibenden Primat der Bewegungen, mit dem der Realpolitik eine beschränkte, weil auf die Durchsetzung des jeweils Nächstmöglichen orientierte Rolle zugewiesen wird. Praktisch drückt sich dies in dem schon angesprochenen Spannungsverhältnis aus, in dem Gewerkschaften, NGOs und Sozialverbände als organischer Teil der Bewegung anerkannt, Parteien aber selbst dann auf Distanz gehalten werden, wenn sie programmatisch links von vielen der NGOs stehen.

Die Autonomie des Politischen wiederum wird primär von den Rändern des Mosaiks artikuliert, d.h. in der linksradikalen Bestimmung, „dass die zentrale Aktivität der Politik die Versammlung ist“ (Badiou 2003, 152). Aus ihr resultiert nicht notwendig, doch nie ungewollt die strategisch gesuchte direkte Konfrontation mit dem Staat als der Macht, die sich an die Stelle der freien Versammlung aller zu setzen und so deren Macht zu suspendieren sucht.

Klassisch-reformistische wie klassisch-revolutionäre Positionen gründeten in der strukturellen Missachtung, wenn nicht gar im definitiven Ausschluss mindestens eines der drei Modi. Das mosaiklinke „Jenseits von Reform und Revolution“ gründet in deren prinzipiell gleichrangiger Anerkennung. Wenn diese in sich konfliktiv, d.h. je nach Lage zu justieren ist, schließt dies zwar ein, dass der Primat des spontanen Modus situativ relativiert werden kann bzw. werden muss. Doch darf das nie auf die für klassische Reformisten und Revolutionäre bestimmende „letztinstanzliche“ Privilegierung des Kalküls und also des Staates hinauslaufen.

Dieser Unterschied lässt sich aus mosaiklinker Perspektive auch im direkten Bezug auf jeden einzelnen Modus fassen. Ihr zufolge ist Lenins Reduktion der Spontaneität des Politischen auf eine bloß „tradeunionistische“ Interessenartikulation ebenso ausdrücklich zurückzuweisen wie umgekehrt die anarchistische Reduktion des auf die Durchsetzung des realpolitisch Möglichen orientierten Kalküls auf bloßen Etatismus. Zugleich muss das Mosaik Artikulationen einer von jeder Zweck-Mittel-Relation befreiten Autonomie des Politischen nicht nur „notgedrungen“ zulassen, sondern schon im spontanen und noch im kalkulierenden Modus zur Geltung bringen. Aller Modi des Politischen konvergieren in einem Primat nicht einfach des spontanen Modus des Politischen, sondern der Politik selbst, mit dem ihr subjektiver Faktor wenigstens tendenziell von jeder ökonomistischen oder anderen Reduktion freigesetzt und so verstanden „militant“ wird (vgl. Seibert 2009). Hier wiederholt das Mosaik auf seine Weise alle nach links orientierten Brüche in der Linken, die im Primat der Politik auch früher schon ihr Kriterium der Wahrheit, Bindung und Entscheidung fanden.

An dieser Stelle ist die begrifflich von Deleuze/Guattari ins Spiel gebrachte, alle Politikmodi be- und anrührende Unterscheidung zwischen einer „mikropolitisch-molekularen“ (auf die Beziehungen zwischen kleinsten Einheiten gerichteten) und einer „makropolitisch-molaren“ (auf die Dichte größerer Einheiten, Gebilde, Aggregate bezogenen) Perspektive des Politischen zu erinnern. Erstere meint die vor jeder Repräsentation liegende politische Aktivität, die deshalb auch unmittelbar mit der Ethik verbunden bleibt, letztere umgekehrt die Politik im Raum der Repräsentation. Sollen beide zu ihrem Recht kommen, ist Deleuze/Guattaris postmarxistische Bestimmung des Politischen endlich im Ganzen ernst zu nehmen: „Es heißt zu Unrecht (vor allem im Marxismus), dass eine Gesellschaft durch ihre Widersprüche definiert wird. Das stimmt nur im Großen und Ganzen. Aus der Sicht der Mikropolitik wird eine Gesellschaft durch ihre Fluchtlinien definiert, die molekular sind. Immer fließt oder flüchtet etwas, das den binären Organisationen […] entgeht – was man mit einem ‚Sittenwandel’ erklärt, Jugendliche, Frauen, Verrückte etc. […] Allerdings ist auch das Gegenteil richtig: molekulare Fluchtbewegungen wären nichts, wenn sie nicht über molare Organisationen zurückkehren würden“ (Deleuze/Guattari 1992, 294f). Das Mosaik funktioniert „jenseits von Reform und Revolution“ nur im steten Konflikt der Modi von Spontaneität, Kalküls und Autonomie und in der Differenz von Mikro- und Makropolitik. Wie steht es um deren aktuelle Justierung?

III. Der reale Punkt des Mosaiks, jetzt

Die zurückliegenden Jahre waren zu Recht einem Primat der Bewegung und ihrer Mikropolitiken unterstellt, auch wenn sich der transversale Politikstil in der Berufung aufs Gemeinsame von dem der Neuen Sozialen Bewegungen unterschied. Die gegenwärtige Stagnation, wenn nicht der Rücklauf oder gar Abbruch der „Bewegung der Bewegungen“, ist auch als Folge dieses Primats, mindestens aber eines Ungenügens der durch ihn bestimmten Konstellation zu deuten. Das lässt sich auf die Niederlage im Widerstand gegen den Irakkrieg datieren. Zur konkreten Bestimmung des Gemeinsamen wurde die globale Anti-Kriegs-Bewegung mit den Beschlüssen des Weltsozialforums in Porto Alegre (2002) und des Europäischen Sozialforums in Florenz (2002), in denen die „Versammlung der sozialen Bewegungen“ zum globalen Aktionstag des 15. Februar 2003 aufrief. Es wurde die historisch größte Massenmobilisierung aller Zeiten: über 10 Millionen Menschen protestierten weltweit. Trotzdem blieb die Aktion ohne greifbaren Einfluss auf den Krieg und zeigte so, dass die Prozedur der globalisierungskritischen Bewegungen und ihrer Mosaiklinken ihrem eigensten programmatischen Einsatz – die globale Dimension des Politischen „von unten“ zu besetzen – gegenwärtig nicht zu entsprechen vermag. Deshalb sind ihr gegenüber jetzt die beiden anderen Modi des Politischen zur Geltung zu bringen, der des Kalküls und der der Autonomie. Letzterem fällt dabei die Aufgabe zu, den Geist des Antagonismus wachzuhalten und zu schärfen, den die nihilistische „Postideologie“ der massenmedialisierten Öffentlichkeit immer neu zu schwächen sucht, indem sie schon der Idee einer radikalen Alternative zum Bestehenden zuschreibt, einen illegitimen Wahrheits- und folglich totalitären Machtanspruch zu erheben. Zugleich ist strategisch in Rechnung zu stellen, dass mit dem Rücklauf der Bewegungen deren „Rückkehr“ in molaren Organisationen noch wichtiger wird als sie es zuvor schon war. Das betrifft dann besonders die allerdings selbst nicht krisenfesten, in bestimmten Zusammenhängen (Italien!) aktuell sogar zerfallenen Parteien neuen Typs und natürlich die Linksregierungen vornehmlich in Lateinamerika. Funktionieren können die aber nur in der Perspektive einer Doppelherrschaft, in der die Spontaneität und Autonomie der globalen Bewegungen und ihrer Foren ihren Platz behaupten bzw. jederzeit wieder einnehmen kann, um die Rolle von nationalem Staat und transnationaler Staatlichkeit stetig zur Disposition zu stellen. Dabei hängt die Stärkung aller drei Modi aktuell an der Stärkung des Primats der Politik auch in den und gegen die opportunistischen Tendenzen in den Bewegungen. Worin aber liegt deren besonderer Opportunismus? – In der konstanter Weigerung, die im Prinzip bejahte „Instituierung des Gemeinsamen“ (Negri) in ein gemeinsames gesellschaftliches Projekt zu rahmen, aus dem heraus und für das die Machtfrage zu stellen wäre: lokal, national, kontinental und global. Wie die verbreitete Furcht vor dem Geist des Antagonismus hängt auch die Furcht vor der Verpflichtung auf ein gemeinsames gesellschaftliches Projekt an der Macht der Postideologie, die schon die Suche nach ihm zur totalitären Anmaßung erklärt. Soll ein solches Projekt erst einmal zur Diskussion gestellt werden, muss die Rotation der drei Modi des Politischen subjektiviert und organisiert werden. Diese Aufgabe aber wäre in allen Teilen des Mosaiks anzugehen und stellt sie deshalb unter eine jeweils besondere Verantwortung. So hätte sich hierzulande die Partei Die Linke endlich ernsthaft dem Format einer Partei neuen Typs anzumessen, zu dem sie sich doch regelmäßig bekennt – und das gerade in der mittelfristig realpolitischen Perspektive auf eine rot-rot-grüne Besetzung der Staatlichkeit. Das wird die Bewegungen unter Zugzwang setzen, nicht nur ihre Spontaneität, sondern auch ihre Autonomie zu stärken – eine Aufgabe, in der besonders das Vermögen ihrer radikalen Ränder gefordert ist, die dazu nötige Reibung zu erzeugen. Dabei zielt das in einer ganzen Serie vor allem lokaler Kämpfe auch schon angegangene gemeinsame Projekt auf eine umfassende Politik der öffentlichen Güter, genauer: auf die demokratische Kontrolle ihrer Produktion wie auf die globale Garantie des egalitären Zugangs zu und damit auch der egalitären Verfügung aller über diese Güter. Soll das zusammengebracht werden, sind der Kommunikation zwischen den verschiedenen Modi des Politischen gerade dann passende Orte und Gelegenheit einzuräumen, wenn ihre Konflikte untereinander absehbar intensiver werden. Grund genug, Atem zu holen.

Literatur

Badiou, Alain, 2003: Über Metapolitik, Zürich/Berlin

Deleuze, Gilles, und Félix Guattari, 1992: Tausend Plateaus, Berlin

Foucault, Michel, 2005: Subjekt und Macht, Schriften Bd. 4, Frankfurt

Negri, Antiono, 2009: Good bye Mr. Socialism, Berlin

Rilling, Rainer, 2009: Beyond the crisis: Empowering the public!, Policy Paper der Rosa-Luxemburg-Stiftung 5/2009, http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/pp0911_Rilling.pdf

Seibert, Thomas, 2009: Krise und Ereignis. 27 Thesen zum Kommunismus, Hamburg

[1] Der Begriff der „Transversalität“ sozialer Kämpfe geht über Universalität/Partikularität hinaus, vgl. Foucault 2005, 273ff.